Die weit über das Waldviertel hinaus bekannte Bäckerei Kasses kann auf eine bewegte Erfolgsgeschichte zurückblicken.
Ein ungewohntes Getümmel herrschte am Mittwochnachmittag in der Backstube der Bäckerei Kasses in Thaya. Zahlreiche Gäste hatten sich eingefunden, um zusammen mit der Familie Kasses das 100-jährige Bestehen ihrer Bäckerei zu feiern.
Die Geschichte des Unternehmens begann im Jahr 1891 mit der Geburt von Leopold Kasses. Er gründete nach Abschluss seiner Ausbildung und den schweren Jahren des Ersten Weltkriegs im Jahr 1925 in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in der Gartenzeile 21 in Thaya seine „Schwarz-Weiß-Bäckerei“. Die Bezeichnung kommt von dem schwarzen Brot und hellen Gebäck, das dort gebacken wurde.
Damals wurden Brot und Gebäck noch mit einem von Arbeitshunden gezogenen Leiterwagen ausgeliefert, dann stellte Kasses auf ein Pferdefuhrwerk um, das auch später noch zum Einsatz kam, wenn winterliche Verhältnisse den Einsatz von Kraftfahrzeugen unmöglich machten.
1955 übernahmen Erich und Alfred Kasses sen. die Bäckerei. Als Ende der 1970er-Jahre das Teigsäuerungsmittel Boerol erfunden wurde und damit Fertigmehlmischungen entstanden sind, wurden diese in fast allen Bäckereien verwendet, weil damit der Teig viel schneller zu Brot gebacken werden konnte als mit Sauerteig. Auch in der Bäckerei Kasses entzog man sich diesem Trend nicht.
Rückbesinnung auf Großvaters Rezepte
Die Rückbesinnung auf die alten Methoden seines Großvaters kam mit Erich Kasses jun., dem Anfang der 1980er-Jahre Helmut Touzimsky, Chef des Gourmet-Geschäfts Meinl am Graben in Wien, das von der Bäckerei Kasses beliefert wurde, den Rat gab, zu den Rezepten seines Großvaters zurückzukehren. Über die Jahre sammelte Erich Kasses Erfahrung mit dem Sauerteig und verbannte Fertigmischungen und Boerol aus seiner Backstube.
1988 übernahm er in dritter Generation den Betrieb. „Ich war der Baumeister, ich habe ständig etwas gebaut“, erinnerte sich Kasses bei seiner Ansprache zur Feier. Aus einem mit ursprünglich drei Millionen Schilling veranschlagten Aus- und Umbauprojekt wurden schließlich sechs Millionen Euro. Doch der Erfolg gab Erich Kasses Recht, diese langfristige Investition getätigt zu haben.
Zahlreiche Erfolge und Preise
Die Erzeugnisse der Bäckerei Kasses schafften es bis in den Kreml und machten das Waldviertel weit über seine Grenzen hinaus bekannt. Mit Birgit Müller holte die Bäckerei Kasses einige Erfolge bei Lehrlingswettbewerben nach Thaya: einen ersten Platz beim Bundeswettbewerb 2002, den zweiten Platz bei der Europameisterschaft 2003, den dritten Platz bei der Weltmeisterschaft 2004 und den vierten Platz beim Mandarin Napoleonbewerb 2005.
Ein Staatspreis für Arbeitsschutz (2004) und die höchste Auszeichnung des Bäckergewerbes in Europa, der „Marktkieker“, reihten sich in die Erfolgsgeschichte ein, 2018 ging mit Erich Kasses‘ Töchtern Lena und Laura die vierte Generation an den Start. Beide Töchter begannen Anfang 2018 ihre Arbeit in der Bäckerei, die sie 2021 übernahmen. 2024 wurden Lena und Laura Kasses in das Buch „Successful People in Germany and Austria“ aufgenommen (die NÖN berichtete).
Nach der Zusammenfassung der Geschichte durch Erich Kasses folgte eine Videobotschaft von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Nationalratsabgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP) lobte die Bäckerei Kasses als „Betrieb mit wahren Werten und tollem Unternehmertum von der ersten Generation an“, der auch durch soziales Engagement auffalle – so beliefert Kasses sei vielen Jahren das Kolpinghaus Waidhofen mit kostenlosem Gebäck.
Bezirkshauptfrau Manuela Herzog zeigte sich beeindruckt vom Erfolg des Familienbetriebs und brachte als Andenken einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen aus dem Jahr 1955 mit, in dem es um die Errichtung eines Backofens ging.
Bürgermeister Eduard Köck (ÖVP) erinnerte an die Betriebsgründung in der wirtschaftlich schweren Zwischenkriegszeit. „Es braucht Mut, Konsequenz in der Umsetzung, Fleiß und Qualität“, hob Köck hervor. Die Qualität habe immer gepasst, dies sei das Erfolgsrezept der Familie Kasses.
Silberne Ehrennadel der WKNÖ überreicht
Wirtschaftskammer-Spartenobmann Jochen Flicker überreichte der Bäckerei Kasses die Silberne Ehrennadel der Wirtschaftskammer NÖ, und Landesinnungsmeister Klaus Kirchdorfer brachte eine Urkunde zur Jubiläumsfeier mit. Ihm war noch die Landesinnungstagung der Bäcker in Thaya im Jahr 2005 in Erinnerung: „Die dauerte zwei Tage, das gab es vorher nicht und nachher auch nicht mehr. Das ist typisch Kasses, wenn er etwas macht, dann zu 200 Prozent.“
Lena und Laura Kasses betonten, dass sie auch in Zukunft weiter auf die Lehrlingsausbildung setzen wollen, um das Wissen und die Traditionen ihres Handwerks weitergeben zu können. Sie nutzten die Gelegenheit auch, um langjährige Mitarbeiter vor den Vorhang zu holen: Dietmar Eggenberger (seit 1983 im Betrieb), Birgit Kranner (seit 1997 im Betrieb), Patrix Fuchs (seit 2001 im Betrieb), Reinhard Kienast (seit 2003 im Betrieb), Mario Rinder (seit 2004 im Betrieb) und Anita Hiess (seit 2001 im Betrieb).
Bild 1:
Von der Bäcker-Landesinnung erhielten Lena und Laura Kasses eine Urkunde als Andenken an das 100-Jahr-Jubiläum: Am Bild mit Natalie Frühwirth, Johann Ehrenberger, Tanja Kinast, Heinrich Schmid, Klaus Kirchdorfer sowie ihren Eltern Ingrid und Erich Kasses. Foto: Michael Schwab.
Bild 2:
Silberne Ehrenmedaille der Wirtschaftskammer NÖ für die Bäckerei Kasses: Innungsmeister und Spartenobmann-Stellvertreter Johann Ehrenberger, Landesinnungsmeister Klaus Kirchdorfer, Lena und Laura Kasses, Spartenobmann Jochen Flicker und Wirtschaftskammer-Bezirksstellenobfrau Marlene Böhm-Lauter. Foto: Michael Schwab.
Textquelle/Originaltext: NÖN/Michael Schwab
https://www.noen.at/waidhofen/vierte-generation-sauerteig-als-spezialitaet-baeckerei-kasses-feierte-100-jahr-jubilaeum-462395534
Fotos Galerie unten: Matthias Ledwinka, von der Bäckerei Kasses beigestellt.